Schlaf, Schlaf-EEG und Schlafverlauf

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Eigentlich möchte ich hier ja gerne vornehmlich über Neueres in Sachen Schlaf und Chronobiologie schreiben. Doch da ich immer wieder Aussagen finde, die entweder nicht stimmen oder missverständlich sind, mache ich jetzt mal eine Ausnahme.

Also: Schlaf in kürzester Kurzfassung

Unsere Altvorderen hielten den Schlaf für den „Bruder des Todes“. Das ist er nicht. Er ist der „Bruder der Wachheit“, eine wunderbare Form des Lebendigseins, wenn auch vorzugsweise liegend. Er ist sowohl Gegenstück als auch Voraussetzung für die Wachheit. Schlafen und Wachen sind zwei Seiten der gleichen Medaille Leben. Insofern muss man Rainer Werner Faßbinders berühmten Satz umdrehen. Wenn schon, müsste er heißen: „Schlafen kann ich nicht mehr, wenn ich tot bin“.

Das EEG

Im Schlaf bewegen wir uns nicht (außer beim Schlafwandeln, aber das ist eine eigene Geschichte). Das Gehirn ist trotzdem aktiv. Es spielt sozusagen sein eigenes Programm. „Sehen“ kann man das Programm mit dem EEG, dem Elektroenzephalogramm. Das EEG kommt heraus, wenn man die Signale der Großhirnrinde mit Hilfe von kleinen Elektroden misst, bzw. „ableitet“. Es handelt sich um elektrische Schwingungen.

Schlaf-EEG und Schlafstadien 1 bis 4

Das Schlaf-EEG ändert sich im Verlauf der Nacht immer wieder. Wenn wir wach und hochkonzentriert sind, ist es schnell, mehr als 12 oder 14 Hertz (Hz – Physik: das sind die Schwingungen pro Sekunde), erreicht aber nur ein paar Mikovolt. Wenn wir seehr entspannt sind, wird es langsamer, 8 bis 12 Hz, und die Spannung steigt ein wenig. Das ist der berühmte Alphazustand. Der ist angenehm, aber präzise denken können wir da nicht, auch wenn mitunter das Gegenteil behauptet wird.

Zu Beginn des Schlafs wird das EEG noch langsamer, 4 bis 7 Hz, das nennen wir Leichtschlaf im Stadium 1. Dabei bleibt es nicht, es geht bis auf 1 bis 2 Hz herunter. Gleichzeitig steigt die Stromspannung auf mehr als 75 Mikrovolt. Wenn in einer halben Minute mehr als ein Fünftel aus solchen Wellen besteht, heißt das Tiefschlaf (je dichter diese Wellen, umso tiefer ist der Schlaf). Den tiefsten Tiefschlaf nennen wir Stadium 4, es wird also von 1 über 2 über 3 bis 4 immer tiefer. Der Hintergrund der Benennung: je tiefer, umso schwerer ist man weckbar.

Der REM-Schlaf

Bis dahin sind die Muskeln entspannt und die Augen ruhig. Nach einer Stunde kommt REM. Im REM-Schlaf sind die Muskeln nachgerade gelähmt, dafür gehen die Augen schnell hin und her – REM heißt „rapid eye movement“, schnelle Augenbewegungen. Das EEG ist so ähnlich wie zu Beginn des Schlafs in Stadium 1. Da REM so besonders ist, heißen alle anderen Stadien zusammen Non-REM-Schlaf.

Die Schlafarchitektur

Danach geht es wieder von vorne los: Stadium 1, 2, 3 und (vielleicht) 4, und nach einer guten Stunde kommt wieder REM. Das ist ein Non-REM-REM-Zyklus.

Im Lauf einer Nacht haben die meisten Leute 5 solcher Non-REM-REM-Zyken. Jeder dauert ungefähr 90 Minuten, der erste kann etwas kürzer sein. Die Abfolge ist fest, das nennt man die Schlafarchitektur. Innerhalb der Zyklen ändert sich aber schon einiges: die Anteile der einzelnen Stadien verschieben sich. So wird der Tiefschlaf von Zyklus zu Zyklus weniger, ab dem dritten hört er meist ganz auf, bei älteren Menschen schon früher. An seine Stelle tritt leichterer Non-REM-Schlaf. Die Dauer des REM-Schlafs dagegen verlängert sich im Laufe einer Nacht.

Träume

In aller Kürze: wir träumen meistens. Verrückte Träume aber, solche, die wirklich interessant sind, die wir uns merken und erzählen wollen, wo wir womöglich fliegen oder sonstige eigentlich unmögliche Dinge tun – die liefern uns die REM-Phasen.

Der Schlafplot

Wenn man die Abfolge der Stadien im Halbminuten-Abstand aufzeichnet, dann ergibt sich das, was man Schlafplot nennt. Ein typischer Plot einer gut schlafenden Person zwischen 20 und 30 ist hier:

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Das Schlummerlesebuch – Rezension

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das_schlummer-lesebuch-9783423142687Schlafen müssen alle. Und doch ist Schlaf fast so individuell wie Wachsein. Manche schlafen länger, andere kürzer. Viele schlafen mit dem größtem Vergnügen, andere nur, wenn es gar nicht mehr anders geht. Kinder schlafen länger, Erwachsene kürzer, Ältere manchmal noch kürzer. Alle eint: normalerweise merken wir nicht, dass wir schlafen. Die Ausnahme von der Regel sind Klarträume oder „luzide Träume“. Bei einem luziden Traum ist mir bewusst, dass ich gerade träume. Das können nur relativ wenig Leute, aber man kann es trainieren.

In der Regel allerdings nehmen wir zwar wahr, dass wir aufwachen, aber gerade nicht, dass wir schlafen. Was sicherlich dazu beitrug, dass unsere Vorfahren den Schlaf so oft in die Nähe des Todes rückten. Könnte sein, dass die Dichter deshalb ein wenig sparsam waren damit, sich mit Dingen rund um den Schlaf zu befassen. Vieles von dem Wenigen hat Alexander Kluy kürzlich versammelt und bei dtv herausgegeben, immerhin von mehr als 50 Dichtern.

Oblomow, der berühmte Dauerschläfer, fehlt. Dafür finden sich Gedichte zu Schlafen und Wachen von Christoph Lichtenberg über Rainer Maria Rilke bis Mascha Kaléko. Aphorismen über Schlafen und Schlaflosigkeit von Johann Peter Hebbel bis Friedrich Nietzsche. Kurze Geschichten über Traumreisen und nächtliche Unfälle von Theodor Storm bis James Thurber. Und Auszüge aus Romanen, in denen Dichter den Schlaf, die Nacht und die Zeit vor dem Schlaf ein wenig streiften: Von Arthur Holitschers „Schlafwandler“ (immerhin mit dem Schlaf im Titel) über Franz Hessels „Der Kramladen des Glücks“ bis Joseph Roths „Hiob“. Das ist der Stoff, den der Komponist Erich Zeisl zu einer Oper verarbeiten wollte, aber darüber 1959 starb. Die Münchner Staatsoper hat Jan Duszynski beauftragt, es zu vollenden. Dieses Gesamtwerk wurde gerade – im Juli 2014 – sehr beeindruckend bei den Münchner Opernfestspielen uraufgeführt. Wesentlicher Bestandteil des Bühnenbildes war in der Tat – ein Bett.

Kluys Schlummerlesebuch ist schön zusammengestellt. So kunterbunt und kreuz und quer kann man darin schmökern, dass es ein wunderbares kleines Geschenk ist. Aber natürlich geht es weniger ums nicht-wahrnehmbare Schlafen selbst als um das Außenherum: die Nacht und das Bett, das Einschlafen und Erwachen, das Nicht-schlafen-Können und Schäfchenzählen. Und viel übers Denken zum Schlaf. Was sonst?

Alexander Kluy (Hrsg.): Das Schlummerlesebuch.
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Alexander Kluy. dtv, München, 2013

Apotheker warnen vor Schlafmitteln

Ein bisschen kurios war sie schon, die dpa-Meldung, die dieser Tage durch die Zeitungen ging: „Apotheker warnen vor Schlafmitteln“ war sie überschrieben. Das klingt auf den ersten Blick ein wenig so, als würden Supermärkte höchstselbst vor Tabak, Alkohol oder Zucker warnen. Als würden Apotheker freiwillig auf Geschäfte  verzichten, absolut uneigennützig und aus purer Verantwortung für das Wohl ihrer Kundschaft.

Apotheker

Diesem Wohl wäre nun tatsächlich gedient, wenn der Schlafmittelkonsum zurückginge, die Apotheken also weniger Schlaf- und Beruhigungsmittel verkaufen würden. Mindestens 1,2 Millionen Menschen in Deutschland sind nämlich abhängig von chemischen Einschlafhilfen, und – nebenbei bemerkt – ein paar hunderttausend weitere von Schmerzmitteln. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, schlug also vor, die Apotheker sollten vor allem ihre Kundschaft im Seniorenalter auf die Gefahren dieser Substanzen ansprechen. Auf absolute Selbstlosigkeit wollte er die Kammermitglieder dann aber doch nicht einschwören. Statt des Pillenverkaufs sollte dann halt die Beratung „angemessen honoriert“ werden, schreibt die dpa.

Ältere Menschen und Benzodiazepine

Der Hintergrund: Das Bundesgesundheitsministerium hatte eine Entwöhnungsstudie bei 102 schlafmittelabhängigen Patienten finanziert – und sie schafften es. Diese Patienten waren im Mittel 70 Jahre alt, seit zehn Jahren hatten sie Benzodiazepine genommen. Die sind verschreibungspflichtig. Da nun Senioren nicht gerade dafür bekannt sind, intensiv den Schwarzmarkt zu bevölkern, muss man davon ausgehen, dass sie allesamt von Medizinern verschrieben waren. Manchmal via Doctor-Hopping, häufiger aber sicher immer wieder vom gleichen Arzt, der gleichen Ärztin.

Die dpa zitierte den Studienleiter: „Mediziner sind … noch zu wenig für die Langzeitwirkung der Schlafmittel bei älteren Menschen sensibilisiert.“ Das ist herzig. Seit 1984 gehört es zum medizinischen Allgemeinwissen, dass Benzodiazepine süchtig machen. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass man sie nicht länger als drei Wochen einnehmen sollte. Und seit langer Zeit wird in Fachkreisen ausdrücklich davor gewarnt, sie älteren Menschen zu verschreiben. Warum? Diese Mittel entspannen, und zwar so, dass gerade Ältere sehr viel leichter stürzen.

Schlafmittel – und Alternativen

Wirksame Schlaf- und Beruhigungsmittel sind grundsätzlich nicht für den Langzeitgebrauch geeignet. Das Nervensystem gewöhnt sich nämlich daran. Dann braucht man mehr, und wenn man die Substanz plötzlich absetzt, kann man überhaupt nicht mehr schlafen, Rebound heißt das. Die besagten 1,2 Millionen wurden regelrecht süchtig. Man sollte also denken, die Mediziner würden die Leute warnen und ihnen sagen, was passiert.

Statt dessen: Vor drei Jahren war ich – das zweite Mal in meinem Leben – im Krankenhaus. Was geschah abends? Die Nachtschwester ging herum und fragte alle: „Brauchen Sie etwas zum Einschlafen?“ Als Schlaf-Expertin hab ich sie drauf angesprochen; danach hat in unserem Zimmer niemand mehr gefragt. In den anderen? Ich fürchte, dort wurde weiterhin fleißig verteilt. Und hinterher weiter verschrieben.

Die Alternativen sind mühsamer als Schlafmittel. Man muss selbst aktiv werden. Das kostet nicht nur Zeit, es geht darum, wie ich lebe. Dazu demnächst mehr.

Aigner und Sommerzeit zum Zweiten

Heute also Teil 2 zur Sommerzeit, unerwarteterweise mit einer aktuellen Info.

Ilse Aigner, Chefin der oberbayerischen CSU und Wirtschaftsministerin bei uns in Bayern, warb Ende März dafür, die Zeit nicht mehr umzustellen. Also immer MEZ: Ein chronobiologisch sehr guter Vorschlag!

Eigentlich. Heute hat Aigner präzisiert: Sie will keineswegs ganzjährig die mitteleuropäische Zeit beibehalten. Sie will ganzjährig Sommerzeit! Da kann man nur fragen: Was versteht Frau Aigner eigentlich von Geographie? Und warum nimmt sie sich ausgerechnet Putin zum Vorbild? Russland lebt seit einigen Jahren nur noch in der Sommerzeit – und die Leute mögen es definitiv nicht.

MESZ und die Sonne

Astronomisch entspricht die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) nur an der östlichsten Grenze Deutschlands dem Sonnenstand. Überall sonst ist es astronomisch früher als MEZ.

Die MESZ (Sommerzeit) katapultiert uns eine weitere Stunde vorwärts: Ab sofort bis Ende Oktober ist es um 12 Uhr sogar in Görlitz astronomisch erst 11 Uhr, die Sonne steht erst um 13 Uhr am höchsten. Hier in München ist es nach Sonnenstand erst um viertel nach eins Mittag usw. – jeweils 3,75 Grad machen eine Viertelstunde aus. Die Süddeutsche hat es zeichnen lassen: in Westspanien steht die Sonne während der Sommerzeit erst um 14.40 Uhr im Zenit.

Eigentlich soll die Sommerzeit Energie sparen, aber das tut sie nachweislich nicht, im Gegenteil. Sie kostet, weil man morgens friert – und deshalb heizt.

Zeitgeber und die Umstellung auf die Sommerzeit

Biologisch und psychisch unangenehm an Normal-versus-Sommerzeit ist aber vor allem die Umstellung. Jede Umstellung. Sie stört nämlich einige Zeit den Schlaf. Deshalb geschehen in der Woche danach die zusätzlichen Unfälle.

Die Störung liegt daran, dass wir Menschen die Sonne als Zeitgeber brauchen. Sie taktet unsere innere Uhr auf 24 Stunden. Dafür nutzt unsere innere Uhr den MEZ-Sonnenstand, bis zum letzten Samstag im März. Das ändert sich nicht, nur weil die Uhren plötzlich anders laufen. Bis 29. März war das gesamte Timing unseres Organismus an den MEZ-Sonnenstand gekoppelt – Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur, Hormone, Verdauung, Immunsystem usw. Dieses Timing ändert sich, aber nur allmählich. Das passierte auch Seehofer: angeblich verschlief (!) er einen Merkel-Telefontermin am 31.3. morgens.

Am angenehmsten wäre es, wenn die Sonne unsere inneren Uhren 365 Tage ungefähr gleich takten würde. Das kann sie aber bei uns nicht, dafür leben wir zu weit nördlich. Hier ändern sich die Tageslängen zu stark, je nördlicher, umso mehr. Deshalb können wir froh sein, wenn wir eines regelmäßig bekommen: Sonnenlicht am Morgen. Und das schaffen wir am besten mit der MEZ, der einigermaßen richtigen Sonnenzeit.

Aigners Untesrchriftenliste: Sommerzeit auf ewig?

Ganzjährig MEZ heißt: Die Sonne erleichtert es uns, im Sommer einfach früher aufzustehen. Mehr passiert nicht.

Ganzjährig Sommerzeit (MESZ) bedeutet etwas ganz anderes. Damit würde es im Winter selbst in München erst um halb neun hell, weiter westlich – und weiter nördlich – noch später. Das aber beeinträchtigt die biologischen Rhythmen sehr vieler Menschen: Sie schlafen schlechter, und nahezu alle müssen zu absolut nachtschlafender Zeit aufstehen. Selbst für einen 9-Uhr-Büro-Job, erst recht für die Schule um 8 Uhr – von Frühschichten ganz zu schweigen.

In Nordeuropa, wo es im Hochwinter erst am späteren Vormittag hell wird, benutzen die Leute verstärkt Tageslicht-Lampen am Morgen, um einigermaßen aufzuwachen. Wäre ganzjährig Sommerzeit, bräuchten wir das im Winter auch hier, mit der MEZ nicht. Schon deshalb kann man die Dauersommerzeit nur als biologisch völlig unsinnig bezeichnen. Aber vielleicht will Frau Aigner einfach die einschlägige Industrie fördern? Wirtschaftsministerin ist sie ja.

Wieder mal Sommerzeit

Seit Sonntag ist Sommerzeit – da scheiden sich die Geister: Viele mögen den langen Abend, niemand den kalten Morgen und einige sind gar nicht erfreut, dass sie jetzt wieder eine Zeitlang in der Dunkelheit aufstehen müssen.

Was ist natürlich an der Uhrzeit?

Wann ist Mittag? Um 12 Uhr? Um 13 Uhr? Wenn wir Hunger haben? Überhaupt nicht? Wäre vielleicht keine schlechte PISA-Frage. Man könnte auch morgens anfangen: Wann sollte die Schule beginnen? Oder das Büro? Schichtarbeit? – nein, das ist nochmal etwas anderes. Über die Forderung, die Schule möge doch bitteschön erst um neun beginnen (ein Beitrag dazu ist hier), habe ich schon ein paarmal etwas geschrieben. Durchaus gebildete Personen begründen diese Forderung allen Ernstes damit, dass doch in Frankreich oder gar Spanien auch alles um neun Uhr beginnt. Werch ein Illtum, um es mit Ernst Jandl zu sagen – da vergleicht man Äpfel mit Birnen.

Sommerzeit – unbeliebt und schädlich

Der Irrtum ist, dass das Spanien-Argument uns als (chrono)-biologische Wesen ignoriert – und die Sommerzeit tut das auch. Schon die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) ist nicht identisch mit unserer biologischen Zeit. Die Sommerzeit (MESZ) ist es erst recht nicht. Die Umstellung als solche ist für nahezu alle unangenehm. Aber sie ist auch schädlich, und das lässt sich wissenschaftlich gut belegen (ein schönes Review finden Sie hier): Die Umstellung „fragmentiert“ den Schlaf, das heißt, die Leute wachen öfter auf und bleiben dann länger wach. Das verkürzt den Schlaf insgesamt, was uns weder körperlich noch geistig-seelisch gut bekommt. Einige Studien belegen sogar, dass in der Woche nach der Umstellung auch die Verkehrsunfälle zunehmen, aber diese Befunde sind nicht ganz konsistent.

Dass die erste Sommerzeit-Nacht um eine Stunde kürzer ist, setzt besonders den Abendtypen zu, sie werden in der Folgewoche nicht rechtzeitig müde und sammeln so ein Schlafdefizit an. Selbst die Bildzeitung schimpft inzwischen gegen die Sommerzeit. Angeblich sind 70 Prozent der Bevölkerung dagegen; das wäre eine beachtliche Zweidrittelmehrheit.

Erde, Längengrade und Uhrzeiten

Nun funktioniert das eng verknüpfte Leben unserer Welt nur mit verbindlichen Uhrzeiten. Die haben wir ungefähr so lange wie die Eisenbahn, die ja Fahrpläne benötigt, die auch über größere Entfernungen zusammenpassen. Aber die Uhrzeiten beziehen sich nicht auf uns, sondern auf die Erde selbst: Bezugsgröße sind die Längengrade der Erde. Schulstoff Geographie.

Die MEZ ist die astronomische Zeit des 15. Längengrads Ost: Der astronomische Mittag – 12 Uhr – ist der Zeitpunkt, zu dem die Sonne dort am höchsten steht. Der Rest der 24 Stunden wird dann berechnet. Wenn die MEZ-Uhr 12 Uhr anzeigt, ist es weiter westlich noch nicht 12 Uhr, weiter östlich schon später. 3,75 Grad entsprechen einer Viertelstunde.

Der Längengrad 15°Ost läuft aber nicht durch Paris (~2° Ost), schon gar nicht durch Madrid (~3° West(!)), ja nicht einmal durch Berlin (13°Ost). Sondern durch Görlitz an der Neiße (15°). Astronomisch ist es zwar in Wien (~16° Ost) schon kurz nach 12 Uhr, wenn die Uhr 12 zeigt – in Deutschland noch fast nirgends. Auf welchem Längengrad Ihre eigene Stadt liegt, können Sie hier herausfinden.

Köln und Aachen jedenfalls (beide um die 6°Ost) wären astronomisch sogar mit der westeuropäischen (Greenwich)-Zeit korrekter bedient, von Madrid und Paris gar nicht zu reden. Aus ökonomischen Gründen haben wir trotzdem alle dieselbe Zeit. In Westeuropa ist man aber schlau genug, sich im Alltag trotzdem auch nach der Sonne zu richten – und erst um neun Uhr MEZ in den Tag zu starten.

Den zweiten Teil zur Sommerzeit gibt es demnächst.