Schlafen müssen alle. Und doch ist Schlaf fast so individuell wie Wachsein. Manche schlafen länger, andere kürzer. Viele schlafen mit dem größtem Vergnügen, andere nur, wenn es gar nicht mehr anders geht. Kinder schlafen länger, Erwachsene kürzer, Ältere manchmal noch kürzer. Alle eint: normalerweise merken wir nicht, dass wir schlafen. Die Ausnahme von der Regel sind Klarträume oder „luzide Träume“. Bei einem luziden Traum ist mir bewusst, dass ich gerade träume. Das können nur relativ wenig Leute, aber man kann es trainieren.
In der Regel allerdings nehmen wir zwar wahr, dass wir aufwachen, aber gerade nicht, dass wir schlafen. Was sicherlich dazu beitrug, dass unsere Vorfahren den Schlaf so oft in die Nähe des Todes rückten. Könnte sein, dass die Dichter deshalb ein wenig sparsam waren damit, sich mit Dingen rund um den Schlaf zu befassen. Vieles von dem Wenigen hat Alexander Kluy kürzlich versammelt und bei dtv herausgegeben, immerhin von mehr als 50 Dichtern.
Oblomow, der berühmte Dauerschläfer, fehlt. Dafür finden sich Gedichte zu Schlafen und Wachen von Christoph Lichtenberg über Rainer Maria Rilke bis Mascha Kaléko. Aphorismen über Schlafen und Schlaflosigkeit von Johann Peter Hebbel bis Friedrich Nietzsche. Kurze Geschichten über Traumreisen und nächtliche Unfälle von Theodor Storm bis James Thurber. Und Auszüge aus Romanen, in denen Dichter den Schlaf, die Nacht und die Zeit vor dem Schlaf ein wenig streiften: Von Arthur Holitschers „Schlafwandler“ (immerhin mit dem Schlaf im Titel) über Franz Hessels „Der Kramladen des Glücks“ bis Joseph Roths „Hiob“. Das ist der Stoff, den der Komponist Erich Zeisl zu einer Oper verarbeiten wollte, aber darüber 1959 starb. Die Münchner Staatsoper hat Jan Duszynski beauftragt, es zu vollenden. Dieses Gesamtwerk wurde gerade – im Juli 2014 – sehr beeindruckend bei den Münchner Opernfestspielen uraufgeführt. Wesentlicher Bestandteil des Bühnenbildes war in der Tat – ein Bett.
Kluys Schlummerlesebuch ist schön zusammengestellt. So kunterbunt und kreuz und quer kann man darin schmökern, dass es ein wunderbares kleines Geschenk ist. Aber natürlich geht es weniger ums nicht-wahrnehmbare Schlafen selbst als um das Außenherum: die Nacht und das Bett, das Einschlafen und Erwachen, das Nicht-schlafen-Können und Schäfchenzählen. Und viel übers Denken zum Schlaf. Was sonst?
Alexander Kluy (Hrsg.): Das Schlummerlesebuch.
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Alexander Kluy. dtv, München, 2013