Schlafen – jetzt ein Nickerchen

Wer viel pennt, ist doof, und wer schnarcht, weckt nur die anderen: Am Tag des Schlafes wird mit Mythen aufgeräumt – streng wissenschaftlich. Damit Sie besser schlafen.

Seit alters brennen am 21. Juni die Sonnwendfeuer, die Menschen feiern und machen diese Nacht zum Tag. Ausgerechnet dieses Datum wählten vor Jahren zwei Frankfurter, um für guten Schlaf zu werben. Bis heute wird ihr Tag des Schlafes begangen. Dabei sagt der Volksmund, im Hochsommer brauche man sowieso wenig Schlaf und beim Feiern fast keinen. Stimmt nicht ganz, sagt die Wissenschaft. Anlass genug, um einmal sechs gängige Volksweisheiten zum Schlaf zu hinterfragen.

1. Wer im Sommer durchmacht, ist weniger müde

Am 21. Juni ist es in Hamburg erheblich länger hell als in Garmisch, am Nordpol fällt die Nacht sogar ganz aus. Nur in Äquatornähe sind Tage und Nächte ganzjährig nahezu gleich lang. Die Jahreszeiten beeinflussten den Schlaf früher stark; in den kurzen Sommernächten des Nordens schlief man systematisch kürzer als im Winter. Ist das vorbei, seit wir alles bis zum Nordkap flächendeckend beleuchten?

Offenbar nicht ganz, wie eine norwegische Arbeitsgruppe um Oddgeir Friborg nachwies (Friborg et al., 2011). 180 Menschen aus dem Norden Norwegens zeichneten ihren Schlaf auf, eine Woche im Januar und eine im August. 150 Einwohner Accras, der äquatornahen Hauptstadt Ghanas, taten dasselbe. Die Ghanaer schliefen das ganze Jahr über gleich lange. Die Norweger dagegen machten im Winter das Licht auch mal aus und schliefen länger, die endlose Dunkelheit machte sie trotz Kunstlicht müde. Ganz unabhängig von den Jahreszeiten ist der Mensch also auch heute nicht. Dass durchgemachte Sommernächte Schlaf ersetzen könnten, ist jedoch Wunschdenken.

2. Unter acht Stunden geht gar nichts

Normal seien acht Stunden Schlaf, heißt es oft. Diese Norm ploppt fast automatisch auf, wenn jemand nachts nicht schlafen kann und besagte acht Stunden nicht mehr möglich sind. Dann grübelt man schon mal: Werde ich deshalb die Prüfung vermasseln? Krank werden? Sterben? Stand der Forschung ist: Im Mittel schlafen gesunde Erwachsene sieben bis acht Stunden (Tinguely, Landolt, Cajochen, 2014). Wie jede Statistik taugt aber auch diese nicht als Maßstab für den Einzelfall. Es beginnt damit, dass die Schlafdauer im Lauf des Lebens sinkt, von 16 Stunden bei Säuglingen bis zu den knapp acht der Erwachsenen. Dazwischen liegen die Jugendlichen, auch wenn viele es nicht gerne hören, dass sie noch neun Stunden brauchen.

Um diese Mittelwerte herum gibt es Bandbreiten des Richtigen; manche Menschen brauchen mehr als ihre Altersgruppe, andere kommen mit weniger aus. „Richtig“ hängt an einer Frage: Wie wach und leistungsfähig bin ich tagsüber? Wer unwillkürlich einschläft, ob am Steuer oder auf der Schulbank, hat ein klares Schlafdefizit. Wer außerhalb der Mittagsschlafzeit länger müde ist, auch.

3. Wer viel pennt, ist doof

Alles zwischen fünf und zehn Stunden Schlafbedürfnis kann normal sein. Trotzdem gilt hierzulande als faul, wer zehn Stunden braucht, meist sogar als geistig minderbemittelt. Dabei gehörten zwei unbestritten Hochintelligente zur Zehn-Stunden-Fraktion: Einstein und Goethe. Es gibt Kluge und weniger Kluge bei Langschläfern wie Kurzschläfern, Intelligenz und individuelles Schlafbedürfnis haben bei Erwachsenen nichts miteinander zu tun. Dennoch hält sich der Mythos hartnäckig, vor allem unter Menschen, die gerne als Leistungsträger betitelt werden, ganz im Sinne von Napoleons Behauptung: „Vier Stunden braucht der Mann, fünf die Frau und sechs der Idiot“.

Tatsächlich können wir zeitweise absichtlich kürzer schlafen, ohne gleich krank zu werden. Geistig leistungsfähig sind wir dann allerdings deutlich weniger und emotional ausgeglichen auch nicht (Weber et al., 2014). Bei Kindern scheint die Sache klarer, wenn auch umgekehrt. Kinder, die länger, vor allem aber besser schlafen, erzielen höhere Leistungen beim Denken und in Intelligenztests (Gruber et al., 2010).

4. Drei Tage wach mit Koffein und Kippe?

Koffein, Alkohol und Nikotin – unsere Alltagsdrogen sind legal, unangenehme Nebenwirkungen haben sie trotzdem, auch in Sachen Schlaf (Garcia, Candidate, Salloum, 2015). Alkohol gilt direkt als Schlummertrunk. Tatsächlich schläft schneller ein, wer einmal etwas trinkt, besser schläft er aber nicht. Wer regelmäßig trinkt, verspielt den Effekt. Auf Dauer riskiert er sogar ein echtes Schlafproblem, und das lange vor der Sucht.

Koffein und Nikotin nehmen wir ausdrücklich, um wach zu sein. Sehr viel Koffein steckt in Kaffee, weniger in Tee und Cola-Getränken, sehr wenig in Schokolade. Koffein weckt objektiv und oft länger, als uns lieb ist. Es kann nämlich bis zu fünf Stunden dauern, bis auch nur die Hälfte des Koffeins abgebaut ist. Mit Koffein im Blut schläft man schwerer ein, und der Schlaf wird flach und kurz. Auch Nikotin macht wach. Noch Stunden nach der letzten Zigarette kann es den Schlaf stören, und das auch langfristig. Zumindest schläft fast jeder dritte Raucher regelmäßig schlecht, auch wenn er sonst gesund ist (Cohrs et al., 2012). Das sind 50 Prozent mehr als bei vergleichbaren Nichtrauchern. Je mehr man raucht, umso riskanter wird es.

5. Wer schnarcht, hat selbst keine Probleme

Schnarchen ist laut, manchmal peinlich und meistens unschön. Aber es stört doch nur die anderen? Dieser Mythos hat schon viel Leid verursacht. Häufig ist Schnarchen nämlich alles andere als harmlos, sondern ein wichtiges Symptom der obstruktiven Schlafapnoe. Bei dieser Krankheit setzt nachts der Atem mehrmals pro Stunde aus, weil die Luftröhre kurz gewissermaßen in sich zusammenfällt. Dann gelangt keine Luft mehr in die Lunge und damit ins Gehirn. Das wird schnell lebensgefährlich, deshalb sorgt das Gehirn dafür, dass ein ganz besonders tiefer, besonders lauter Atemzug den Sauerstoffpegel wieder erhöht. Der Betroffene wacht nicht unbedingt auf, ist aber tagsüber müde. Auf lange Sicht riskiert er Herzinfarkt und Schlaganfall.

Deshalb sollte man gegensteuern, notfalls mit einer Sauerstoffmaske. Es gibt einige Versuche, eine Diagnose allein an der Art des Schnarchens festzumachen. Doch bisher taugen die Methoden allesamt noch nicht, wie Hui Jin und Kollegen aus dem chinesischen Guangzhou kürzlich berichteten (Jin et al., 2015). Man muss immer noch ins Schlaflabor.

6. Gut schläft, wer vor Mitternacht im Bett liegt

Wer in 24/7-Zeiten den Schlaf vor Mitternacht noch für den besten hält, geht als mythengläubig durch. Wo man doch morgens nach der Party super schläft. Leider nur ein neuer Mythos. Der Schlaf ist in sich gegliedert und verläuft in 90-Minuten-Zyklen, notfalls auch mittags.

Jeder Zyklus beginnt mit Leichtschlaf und endet mit REM-Schlaf (rapid eye movement); da bewegen sich die Augen schnell und wir träumen die richtig verrückten Geschichten. Dazwischen kann es Tiefschlaf geben. Im Tiefschlaf sind wir schwer zu wecken, und er ist besonders erholsam – es hat durchaus eine Logik, ihn als den „besten“ zu bezeichnen. Doch Tiefschlaf gibt es bevorzugt in den ersten beiden Zyklen, und das nur, wenn auch die Körpertemperatur stimmt.

Die ist gerade richtig, solange sie am Fallen ist. Das tut sie zwölf Stunden lang bis zum Tiefpunkt in der zweiten Nachthälfte. Er liegt bei Morgentypen früher, bei Abendtypen später, man nennt ihn auch „biologische Mitternacht“ (Zulley, Knab, 2015). Danach wird es schwierig mit dem Tiefschlaf. Es gibt ein Zeitfenster für den „besten“ Schlaf. Die gute Nachricht: Um 24 Uhr ist es noch nicht geschlossen.

Dieser Beitrag wurde zuerst am 21. 6. 2017 auf ZEIT-online veröffentlicht

Die Kleine Schlafschule – neu bei mabuse

Cover Schlafschule Zulley-Knab bei mabsue

Cover Schlafschule Zulley-Knab bei mabuse

Am Schluss haben wir „Die Kleine Schlafschule. Wege zum guten Schlaf“ dann doch viel intensiver überarbeitet, als wir geplant hatten. Dann gab es auch noch viele Dispute über das Schlafschul-Cover, und dass es jetzt Mittagsschlaf-Kunst ist, finden wir wunderbar.

Wir sind sehr froh, dass nun alle drei Zulley-Knab-Bücher beim mabuse-Verlag eine Heimat gefunden haben, was sehr gut passt, schließlich ist er auf Medizinisches spezialisiert. Seit vorgestern ist die Schlafschule wieder auf dem Markt, als gedrucktes Buch rechtzeitig zu Weihnachten, als E-Buch demnächst.

Die Süddeutsche Zeitung bescheinigte der ersten Fassung der Kleinen Schlafschule „das Zeug zum Klassiker“. Wir hoffen natürlich, dass das Buch dieses Lob auch in der überarbeiteten Ausgabe rechtfertigt.

Der Cover-Text

Schlafschule – wozu denn das? Schließlich kann jedes Neugeborene schlafen, und überhaupt: Sind nicht heute alle stolz darauf, wenn sie wenig schlafen? Für nutzlos und unproduktiv wird Schlaf oft gehalten, für „verschlafene“ Zeit eben. Das ist ein Irrtum, und Schlafgestörte können ein Lied davon singen.

Tatsächlich ist Schlaf lebenswichtig und unerlässlich für jede menschliche Leistung, überdies eine Quelle der Freude und Ausgeglichenheit. Doch vieles kann ihn stören, etwa Lärm, Schmerzen, Grübeln – oder ein Leben gegen die biologischen Rhythmen. Jeder dritte Erwachsene schläft öfter schlecht. Wer dann falsch reagiert, kann eine Schlafstörung entwickeln.

Wer richtig reagieren will, dem hilft die Schlafschule – mit fundiertem Hintergrundwissen, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Tipps

Und hier können Sie das Buch beim mabuse-Versand bestellen. Aber vielleicht wollen Sie lieber bei der stationären Buchhandlung Ihres Vertrauens bestellen und so zur Lebensqualität Ihrer Stadt beitragen.
Buchdaten:
Jürgen Zulley / Barbara Knab: Die kleine Schlafschule. Wege zum guten Schlaf. mabuse-Verlag Frankfurt, 2015, 158 S., 14,95 Euro
ISBN 978-3-86321-284-1

 

Chronobiologische Schlafforschung: der Beginn im Andechser Bunker

online am 19. August 2015 in der Zeitschrift „Somnologie“

Ein kleines Stückchen Wissenschaftsgeschichte ist gerade in der Zeitschrift  „Somnologie – Schlafforschung und Schlafmedizin“ herausgekommen. Die Somnologie ist das wissenschaftliche Organ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, DGSM.
Der Jahreskongress der DGSM war 2014 in Köln und hatte den Schwerpunkt „Schlaf und Rhythmus“. Gewissermaßen im Nachgang gibt es jetzt eine Zusammenfassung der allerersten europäischen Forschungen zu diesem Thema. Es war Jürgen Zulley, der das Thema Schlaf ausdrücklich in die Studien im Andechser Bunker einbrachte. Und Jürgen Zulley ist auch Erstautor dieser Somnologie-Zusammenfassung. Sie stammt also aus erster Hand, auch wenn ich ebenfalls mitgemischt habe. Anders als die Berichte in unserem Buch „Unsere Innere Uhr“ ist der Somnologie-Artikel wissenschaftlich und enthält auch die wesentlichen Originalabbildungen.
Leider darf ich den Artikel nicht auf die Webseite stellen. Sie können ihn jedoch in einer wissenschaftlichen Bibliothek kopieren oder  hier beim Verlag kaufen. Das Abstract allerdings ist immer frei verfügbar, es erscheint, wenn Sie die Verlagsseite anklicken, auf Englisch und auf Deutsch. Die deutsche Fassung auch hier unten.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

J. Zulley · B. Knab

Chronobiologische Schlafforschung: der Beginn im Andechser Bunker

Zusammenfassung

Lange Zeit verliefen die Forschungslinien zu Chronobiologie und Schlaf getrennt voneinander, und das trotz Nathaniel Kleitmans Pionierarbeit, dem 1939 erschienenen Buch „Sleep and Wakefulness“. Zusammengeführt wurden die Linien erst in den 1970er-Jahren, als man begann, bei chronobiologischen Isolationsstudien auch den physiologischen Schlaf zu registrieren. In Deutschland geschah das unter der Leitung von Jürgen Zulley, in USA unter der von Charles Czeisler. In der vorliegenden Arbeit werden die Studien zusammengefasst, die Zulley zwischen 1976 und 1993 publizierte. Zuvor werden die Versuchsbedingungen im Andechser „Bunker“ beschrieben und kurz die wichtigsten klassischen Ergebnisse vorgestellt. In zwei Typen von Arbeiten wurde überprüft, wie Schlaf und Chronobiologie zusammenhängen. Die einen reanalysierten frühere Circadian-Studien. Die anderen überprüften die Fragestellung direkt empirisch mit Polysomnografiedaten unter Freilaufbedingungen. Diese Studien belegen, dass Einschlafzeitpunkt und Dauer des Schlafs sowie die Schlafstadienstruktur sowohl von circadianen als auch von homöostatischen Regulationsmechanismen beeinflusst werden. Sie zeigen außerdem, dass einige der bis dahin als depressionsspezifisch betrachteten Schlafcharakteristika möglicherweise durch reduzierte motorische Aktivität bedingt sind. Insgesamt erbrachten die Studien im Andechser Bunker die ersten fundierten Belege dafür, dass innere Uhren den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern, diese autonomen Rhythmen aber gleichzeitig durch externe Faktoren beeinflusst werden. Die Andechser Schlafstudien zeigten damit, dass Schlafen und Wachen interagieren und der Schlafprozess rhythmisch gesteuert wird. Das erweiterte die Perspektive der Schlafforschung insgesamt; schließlich hatte sich diese zuvor ausschließlich mit dem Schlaf in der Nacht befasst.

Schlüsselwörter: Schlaf · Chronobiologie · Circadian · REM-Schlaf · Ultradian

„Labour of Love“ (Asha Jaoar Majhe, Kinofilm, Indien, 2014)

Aditya Varmi Senguptas preisgekrönter Film beim Filmfest München erzählt auch über den Schlaf

Flughafen Kolkata, © 2015 B.Knab

Flughafen Kolkata, © 2015 B.Knab

Kalkutta, Hauptstadt des indischen Bundesstaates Westbengalen. Im Radio wird auf Bengalisch eine große Entlassungswelle für Arbeiter aller Art angekündigt. Die Leinwand zeigt die englische Übersetzung der Radionachrichten in weißen Buchstaben, ansonsten ist sie schwarz. Später wird man die Sprechchöre der Demonstranten hören, die nur eines wollen: ihren Job behalten. Sie fordern kein Geld, nichts zu essen, kein Dach über dem Kopf und keine Kleidung. Sie fordern ein, was heutzutage „Arbeitsplatz“ heißt und auch in Indien gleichgesetzt wird mit Überleben in Würde.

Die Geschichte

Die beiden eigentlichen Protagonisten dieses Films haben einen solchen „Arbeitsplatz“, beide sind schön und jung. Die Ehefrau kontrolliert in einer Manufaktur für Ledertaschen die gepackten Pakete für den Versand, der Mann eine Maschine, die Zeitungen druckt, falzt und bündelt. Sie können sich eine kleine Wohnung in der Altstadt Kalkuttas leisten, klassisch winzig im Kolonialstil, in den Fensteröffnungen einbruchsichere Metallstangen, keine Glasscheiben. Diese Öffnungen lassen die Klänge des alten Kalkutta durch, des Kalkutta der engen, dunklen Gassen, in denen nicht einmal Motorräder Platz hätten. Das erspart den sonst überall dröhnenden Verkehrslärm.

Sengupta zeigt 24 Stunden dieser Ehe (Trailer des Films hier). Der Mann arbeitet nachts und schläft tags ein paar Stunden, die Frau umgekehrt. Beide schlafen zu kurz. Sie treffen sich einmal am Tag, morgens, wenn er nach Hause kommt. Da begegnen sie sich liebevoll, in Schwarzweiß und Zeitlupe, keine Worte. Sie reicht ihm zur Begrüßung eine Tasse Tee. Noch ehe er den Tee getrunken hat, muss sie aufbrechen zur Arbeit, zu Fuß, mit der Straßenbahn, mit dem Bus.

Trambahn Nr. 235 in Kalkutta ©2015 B.Knab

Trambahn Nr. 235 in Kalkutta ©2015 B.Knab

Was sonst zu Hause passiert, ist eingespielt: er geht nachmittags einkaufen, sie flickt am Abend. In aller Frühe kocht sie, zwei Portionen für ihn, zwei für sich selbst, die sie dann auf die typisch indischen Transportkästschen für Essen aus Blech verteilt.

Schlaf und Arbeitsplatz

Was hat das mit Schlaf zu tun? Der Mann verlässt das Haus bei Helligkeit und kommt zurück, wenn es wieder hell ist. Das sind in Nordindien ganzjährig mehr als zwölf Stunden. Zeitungen müssen tatsächlich nachts gedruckt werden, immerhin ist der Nachtjob des Mannes wirklich notwendig. Die Schlafforschung hat trotzdem gut belegt, dass Nachtarbeit nicht gesund ist. Ständige Müdigkeit auch nicht: Mann wie Frau scheinen vom Mobiltelefon jeweils aus dem Tiefschlaf geweckt zu werden. Sie schaffen es kaum aufzustehen. In den wenigen gemeinsamen Minuten kann dieses Paar sich seiner Liebe vergewissern, momentan. Leben kann es sie kaum, Freundschaften sind nicht drin, Kinder undenkbar. Das wird nicht lange so gehen. Überlange Nachtarbeit plus Wegezeiten, die das soziale Leben auf Minuten schrumpfen lassen: das potenziert Gesundheitsrisiken. Kein Anlass zur Klage – schließlich verlieren gleichzeitig viele ihre Lebensgrundlage. Oder?

Dieser langsame, poetische Film erzählt in hinreißenden Bildern vom Alltag scheinbar privilegierter Menschen in Kalkutta. Man erlebt mit, wie ihre Arbeit aussieht und ihr überlanger Arbeitstag, wie sie sich im Schlaf teilweise davon erholen, und wie sie ihre Liebe auf die verbleibenden Minuten des Tages konzentrieren müssen. Ihre Schlafzeiten jedoch sind definitiv kein Privileg. Es ist eine Frage der Zeit, wann das problematisch wird.

Schlaf und Innere Uhr – bei mabuse Nr. 214

Alle zwei Monate kommt sie heraus, die Zeitschrift „Dr. med. Mabuse„. Seit bald 40 Jahren findet die Redaktion immer Geschichten und Infos aus dem weiten Feld Gesundheitswesen, die man woanders vergeblich sucht. Jedes Heft hat außerdem ein Schwerpunktthema.

Cover Dr. med. Mabuse 214Das Thema der Nummer 214 ist Schlafen und Wachen, und ein Beitrag darin stammt von Jürgen Zulley und mir: „Die innere Uhr und guter Schlaf“. Außerdem: Alexander Blau von der Charité Berlin gibt einen Überblick über die Schlafmedizin. Vjenka Garms-Homolová, früher Professorin an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin, beschreibt, wie Schlafstörungen von Altenheimbewohnern übersehen werden. Dabei könnte man sie leicht daran erkennen, dass die Leute tagsüber ständig schläfrig sind.

Sibylle Lüpold aus der Schweiz diskutiert den Kinderschlaf bzw. Fragen und Probleme von Eltern, die mit den Schlafproblemen ihrer Kinder konfrontiert sind. Kathrin Passig beschreibt, was Narkolepsie-Betroffene so erleben – sie müssen jederzeit damit rechnen, einfach einzuschlafen und wegzukippen. Sie weiß, wovon sie redet, weil sie selbst unter Narkolepsie leidet. Und sie weiß auch, was man tun kann und sollte, um mit der Narkolepsie gut zu leben. Heilen lässt sie sich nämlich nicht. Auch der unverzichtbare Gerd Glaeske meldet sich zu Wort – wie immer über Medikamente, da ist der Bremer Professor einer der wichtigsten Experten Deutschlands überhaupt. Diesmal über Schlafmittel.

In dem Beitrag von Barbara Knab und Jürgen Zulley, also unserem eigenen, finden Sie auf wenigen Seiten, wie Innere Uhr und Schlaf zusammenhängen. Es ist ja nicht so, dass wir unweigerlich schlafen, weil die innere Uhr uns das befiehlt – wir können uns auch dagegen entscheiden. Umgekehrt ist es auch nicht so, dass wir einfach deshalb gut schlafen, weil wir müde sind und schon stundenlang auf den Beinen. Wir können dann nämlich genauso gut gerädert im Bett liegen wie überdrehte Kinder.

Der Grund: guter Schlaf braucht beides. Wir müssen schon länger wach sein und das angesammelt haben, was die Schlafforschung „Schlafdruck“ nennt. Gleichzeitig schlafen wir vor allem dann gut, wenn wir zum richtigen Zeitpunkt damit beginnen. Freunde des Nachtlebens finden diese Info zwar tendenziös, aber es ist nicht dran zu rütteln: Der richtige Zeitpunkt ist nachts, und zwar ein paar Stunden, bevor die Körpertemperatur ihren tiefsten Wert erreicht. Das tut sie irgendwann zwischen 2 und 4 Uhr in der Früh; die Party ist da noch nicht unbedingt  zu Ende. Wer erst da oder noch später schlafen geht, hat zwar großen Schlafdruck. Der Schlaf ist normalerweise trotzdem mäßig, selbst ohne Alk. Mag ärgerlich sein, ist aber biologisch normal. Grund: falscher Einschlaf-Zeitpunkt.

Der Verlag der Zeitschrift Dr. med. Mabuse heißt auch Mabuse, nach der berühmt-berüchtigten Filmfigur von Fritz Lang. Er sitzt in Frankfurt am Main und ist von vorne bis hinten auf Medizin und Gesundheitswesen spezialisiert, von Psychiatrie bis zur Geburtshilfe. Jürgen Zulley und ich haben naturgemäß ein gutes Verhältnis zu ihm, schließlich hat er unsere Chronobiologie-Bücher neu herausgebracht: „Unsere innere Uhr“ und „Wach und fit„.

Mabuse betreibt außerdem einen umfangreichen Buchversand, der schnell und unbürokratisch funktioniert – und auf den auch die Links auf meiner Webseite zugreifen. Außerdem tut der Verlag etwas, was man heutzutage betonen muss: er zahlt seine Steuern ordentlich und hierzulande. Es ist also höchst sinnvoll, dort einzukaufen.

Die 215. Nummer der Zeitschrift Dr. med. Mabuse befasst sich mit Infektionen und Epidemien.