Schlaflieder – Schlafen und Musik

Gerade kam das neue Heft der Psychologie heute heraus. Darin steht auch mein neuester langer Artikel. Dort habe ich mich zwar weder dem Schlaf noch der Chronobiologie gewidmet, sondern der Musik. Aber die kann den Schlaf nicht nur stören, Stichwort dröhnende Bässe der Nachbarn. Sie kann ihn auch bahnen, Stichwort Schlaflied. Deshalb hier ein kleiner Hinweis.

Psychologie-heute August 2016 Beitrag Barbara Knab Musik

Psychologie-heute August 2016 Beitrag Barbara Knab Musik

Musikpsychologie

Der Titel des Beitrags heißt „Mit Musik wachsen“, und ich habe darin Geschichten und psychologische Studien zur Musik vorgestellt. Nicht Musiktherapie, sondern Musikpsychologie. Die möchte Fragen beantworten wie: Warum mögen wir Musik? Welche Musik mögen wir? Wann hören wir Musik? Wie ist es, wenn Kinder selbst musizieren lernen? Was geschieht, wenn Menschen sich mit der Musik einer anderen Kultur beschäftigen? Momentan kann man das Heft im Handel kaufen, Sie können aber auch genau meinen Artikel elektronisch bestellen, nämlich hier.

Musik – entspannt, konzentriert und typisch menschlich

Der Beitrag ist von der Zeitschrift superschön illustriert mit einem Mädchen, das pfeift und dirigiert, Sie sehen es oben direkt in der aufgeschlagenen Zeitschrift. Die Kleine ist ganz offensichtlich nicht nur froh, sondern auch hochkonzentriert. Wen sie da dirigiert und welche Melodie sie mitpfeift? Keine Ahnung. Musizieren schafft es jedenfalls nicht nur bei ihr, gleichzeitig höchste Konzentration und höchste Entspannung hervorzurufen. Flow nennt man das ja gerne.

Jede, absolut jede menschliche Kultur dieser Erde hat Musik, was manche Menschenfeinde nicht daran hindert, sie ächten zu wollen. Der Ursprung der Musik liegt vermutlich in der Babysprache, der Art, wie Erwachsene mit Babies reden. Mit dem Ausdruck „duziduzi“ hat sogar der Gerhard Polt mal eine etwas weniger poltrige Stimme aufgelegt.

Wiegenlied und Schlaflied

Noch ein bisschen weicher, und man ist beim Schlaflied. Alle Menscheneltern singen ihren Kindern Schlaflieder, um sie zu beruhigen und ihnen Gewissheit zu geben, dass die Umgebung sicher ist und alles in Ordnung. Womöglich brauchen Kinder Schlaflieder. Könnte auch ein in den Schlaf gesungenes Kind später auf die schreckliche Idee kommen, Musik sei unmoralisch? Man kann nur einschlafen, wenn man sich seelisch und körperlich entspannen, Pause machen kann. Auch manchen Erwachsenen fällt das leichter, wenn sie Musik hören. Nicht grade Hiphop oder sowas. Leise halt und rhythmisch ruhig.

CD-Cover_African-Dreams. Schlaf- und Wiegenlieder

CD-Cover_African-Dreams. Schlaf- und Wiegenlieder

CDs mit Schlafliedern

Die Firma Ellipsis Arts hat Schlaflieder aus aller Welt gesammelt, auf Englisch Lullabies. Die CDs heißen Mamas‘ Lullabies, Papa’s Lullabies usw. Eine davon heißt „African Dreams. Lullabies and Cradle Songs from the Motherland„. Vielleicht hat die kleine Dirigentin eins davon immer wieder gehört als kleines Kind? Oder doch eher: Schlaf, Kindlein, schlaf?

Gut schlafen im Nachtzug – vorbei?

Istanbul Express -heute im Museum

Istanbul-Express – nur noch im Museum. Demnächst alle Nachtzüge?

Die Urlaubszeit beginnt – und die Bahn verkündet allen Ernstes, ihre schon früher geäußerten absurden Sparmaßnahmen mit dem Winterfahrplan in die Tat umsetzen zu wollen. Sie möchte die Nachtzüge abschaffen. Jedenfalls die, in denen das möglich ist, womit sie bisher für die sogenannte City Night Line geworben hat: „Sie reisen im Schlaf und wachen morgens am Zielort aus“ – und: „Sie kommen ausgeruht direkt im Stadtzentrum an“. Super Zeitmanagement. Falls man schlafen kann.

Schlafen?– richtig gut nur im Liegen

ICE - der Lieblingszug der DB

ICE- nachts ziemlich ungeeignet

Schlafen allerdings ist nur dann wirklich erholsam, wenn man liegt. Zwar sind Liege- und Schlafwägen ein wenig laut – aber so lange, dass man am nächsten Tag  einigermaßen fit ist, schläft man dort schon. Sitzend im ICE ist das erheblich schwerer, und zu allem Überfluss schlägt es sich aufs Kreuz. Sitzen ist nun mal nicht die beste Haltung für das Lebewesen Mensch – und viele Stunden nachts schon gleich gar nicht. Tatsächlich hat die Bahn angekündigt, die Nachtfahrer in die ICEs zu verbannen, also zu vergraulen – mit 250 km/h und im Sitzen. Wie intelligent! Nach einer Nacht im Sitzen ist man nicht ausgeruht. Wer das Gegenteil behauptet, hat keine Ahnung vom Schlaf oder lügt einfach.

Die Bahnoberen – keine Bahnnutzer?

Dieser neueste Coup zeigt wieder mal, was die oberen Etagen der Bahn mit dem ihnen anvertrauten Unternehmen tun: es kaputtsparen. Selbst zu nutzen scheinen sie es nie, sonst würden sie sich solche Schildbürgerstreiche  sparen. Niemals kämen hochbezahlte BMW-Mitarbeiter auf die Idee, etwas anderes als BMW zu fahren. Die Bahnoberen? Fahren Auto. Obwohl sie eine Netzkarte haben (BahnCard 100), für die 1. Klasse, wie es heißt; diese „Perlen“ landen offensichtlich an der falschen Stelle.

Liege- und Schlafwagennutzer fahren begeistert Bahn

Die Bahn braucht Menschen, die von der Fortbewegung auf Schienen überzeugt sind, nicht nur solche, deren Auto gerade in der Werkstatt ist. Leute, die weitertragen, dass Eisenbahnfahren super ist – lesen, arbeiten, dösen, Zeit haben, herumlaufen, essen, sogar im Speisewagen, umweltfreundlich, manchmal nette Leute, alles gehört dazu. Die meisten dieser Überzeugten haben schon lange Strecken nachts zurückgelegt. Im Schlaf- oder Liegewagen. Oder im Abteil quer liegend. Niemals im Pseudo-Nachtzug ICE-Großraumwagen. Nicht wenige wurden erst zu begeisterten Zugfahrern, nachdem sie im Liegewagen unterwegs waren.

Süddeutsche Zeitung trauert um die echten Nachtzüge

Bahnhof Rovereto

Bahnhof Rovereto – die Nachtfahrt über den Brenner ist vorbei

Am 1. 6. 2016 hat Matthias Drobinsky in der Süddeutschen einen wunderschönen Nachruf auf die Nachtreisen geschrieben. Überschrift sehr passend: „Mord im Orientbus“? Klar, wäre völlig schwachsinnig. Eine spannende Geschichte kann nur im Orientexpress spielen. Subtext Drobinsky: So dumm muss man erst mal sein wie die Bahnoberen.

Rettet die Nachtzüge der DB (und die Autozüge auch)

Die zugehörige Unterschriftenkampagne läuft noch. Die ersten 28.882  Unterschriften wurden zwar bereits in Berlin überreicht. Doch mit jeder weiteren steigt die Chance, dass sich auch der Petitionsausschuss des Bundestages damit befasst. Immerhin vertritt der Bundestag alle Eigentümer. Uns.

Schlafmythen: Der Schlaf vor Mitternacht (2)

Sonnenuntergang Maisur/Mysore

Hier also der zweite Teil zur Frage, ob der Schlaf vor Mitternacht der beste sei. Das Foto oben ist aus Südindien, also aus einer Gegend der Welt, wo die Sonne sehr früh untergeht, und das ganze Jahr über fast zur gleichen Zeit. Auf die astronomische Mitternacht hat das keinen Einfluss.

Schlaf und Körpertemperatur sind zirkadian

Zwölf Uhr Nacht ist also nicht identisch mit der astronomischen Mitternacht. Doch auch vor der liegt der beste Schlaf nicht unbedingt, jedenfalls nicht der ganze. Ist es also egal, wann man schläft? Das stimmt auch wieder nicht, und zwar vom Kind bis zur Greisin. Es liegt an der Körpertempertur. Die ist nämlich nicht ständig gleich. Sie verändert systematisch über 24 Stunden. In chronobiologischer Ausdrucksweise ist sie eine zirkadiane Variable, genau wie der Schlaf auch. Nachmittags ist die Temperatur am höchsten, am tiefsten ungefähr 12 Stunden später, also nachts. Dieser Tiefstpunkt liegt bei den meisten Leuten zwischen zwei und vier Uhr morgens. Danach steigt die Temperatur wieder. Wenn wir um die Zeit des Temperatur-Minimums wach sind, frieren wir und werden hungrig. Deshalb nennen Chronobiologen diesen Zeitpunkt auch die „biologische Mitternacht“.

Schlaf vor der biologischen Mitternacht

Es ist diese biologische Mitternacht, die dann doch ziemlich viel damit zu tun hat, wann der beste Schlaf stattfindet. Vor der biologischen Mitternacht können Erwachsene Tiefschlaf haben, später praktisch nicht mehr. Tiefschlaf aber ist der Schlaf, den wir subjektiv als besonders gut erleben; wir wachen dann nämlich nicht so leicht auf, selbst wenn es laut ist (zum Lärm und seinen Folgen gibt es übrigens in der März-Nummer 2016 der „Psychologie Heute“ eine Geschichte von mir; nicht nur die Folgen für den Schlaf). Auch nach der Schlafpolygraphie (Erklärung zum Beispiel hier) ist Tiefschlaf der beste Schlaf. Er trägt nämlich entscheidend dazu bei, wie erholt wir uns fühlen am nächsten Tag. Außerdem unterstützt er das Gedächtnis. Insofern ist der beste Schlaf also tatsächlich nicht vor der astronomischen Mitternacht, wie es die Großeltern immer predigten. Aber vor der biologischen Mitternacht ist er schon.

 

 

 

Schlafmythen: Der Schlaf vor Mitternacht (1)

Im vorletzten Heft von „Psychologie Heute“ habe ich einige der gängigen Schlafmythen vorgestellt. Ein Mythos ist eigentlich eine Erzählung über graue Vorzeiten, darüber, wie die Welt entstand oder die eigene Gruppe. Der Inhalt muss also keineswegs zutreffen. Genau das ist auch die übertragene Bedeutung von Mythos: eine Art Ammenmärchen.

Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste?

Nun erschien der Schlaf unseren Vorfahren durchaus merkwürdig. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie sich ihren eigenen Reim darauf machten. Einige dieser „Reime“ haben sich inzwischen als Mythen über den Schlaf herausgestellt. Zu den berühmtesten gehört die Überzeugung, der Schlaf vor Mitternacht sei der beste. Weshalb brave Kinder selbstverständlich früh schlafen gehen sollten, damit etwas aus ihnen würde. Heutige Eltern tun sich ein wenig hart damit, ihren Kindern die Botschaft nahezubringen. Das ändert nichts daran, dass sie ihr anhängen.

Die Mitternacht

Richtig ist sie trotzdem nicht . Es beginnt damit, dass 24 Uhr nicht unbedingt die Mitte der Nacht markiert. Eigentlich ist die Mitternacht eine astronomische Größe. Sie liegt genau zwölf Stunden nach dem Zeitpunkt, zu dem die Sonne mittags am höchsten steht. Das wäre theoretisch um 12 Uhr, praktisch nicht ganz: Während der Sommerzeit gilt es sowieso nicht. Aber auch in den Monaten von November bis März, in denen die echte Mitteleuropäische Zeit (MEZ) gilt, ist um 24 Uhr nicht in ganz Deutschland astronomische Mitternacht. Die MEZ gilt astronomisch nämlich nur rund um den 15. Längengrad Ost, und der geht durch Görlitz an der Neiße. Schon in München steht die Sonne im Winter erst um 12.15 Uhr am höchsten, je weiter man nach Westen kommt, umso später (3,75 Grad entsprechen einer Viertelstunde – dazu mehr in meinem Beitrag zum Schlaf von Jugendlcihen in „Praxis der Naturwissenschaften„). Entsprechend später ist die astronomische Mitternacht. Der „Schlaf vor Mitternacht“ dauert zumindest während der Sommerzeit fast überall länger als bis ein Uhr nachts.

Zweiter Teil im nächsten Beitrag.

Schlafen auf der Flucht: Schlafmangel

Die ZEIT berichtet in ihrer heutigen gedruckten Ausgabe, was Flüchtlinge in Hamburg und anderswo erleben und wie sie dieses Deutschland sehen, in dem sie angekommen sind. Die tageszeitung taz war etwas schneller. Sie hat derzeit eine eigene Rubrik zum Thema Flucht, das taz.fluchthilfe heißt. Beiden ist gemeinsam, dass sie (auch) die Flüchtlinge selbst befragen und nicht nur diejenigen, die ihnen helfen, die sie unterstützen oder die vor ihnen Angst haben. Ich möchte hier und in loser Folge später den Punkt aufgreifen, der in mein Blog gehört: Wie steht es eigentlich um den Schlaf auf der Flucht, bei der Ankunft und danach?

IMG_1210-a-mittelSchlafen im Erstaufnahmelager

Die ZEIT schickte eine Fotografin und eine Journalistin in ein Hamburger Erstaufnahmelager. Die erkundeten, wie es dort in der Nacht aussieht. Das Wichtigste: die meisten Flüchtlinge berichten, dass sie schlecht schlafen. Es ist nämlich laut, weil mehr als tausend Personen in einer Halle sogar dann einen erheblichen Schallpegel produzieren würden, wenn sie schlafen würden – was aber nicht einmal alle tun. Nicht erst lauter Krach raubt den meisten Menschen den Schlaf oder beeinträchtigt ihn zumindest, das können schon Schalle ab 50 dB. Das ist auch wissenschaftlich gut belegt. Die Flüchtlinge sind außerdem psychisch aufgewühlt, sie grübeln und machen sich Sorgen; auch das stört den Schlaf in der Regel.

Schlafen im Freien

Gibt man „Flüchtling“ und „Schlaf“ in eine Suchmaschine ein, erscheinen alle Artikel über Berlin, wo die Leute tagelang im Freien nächtigen mussten, weil das zuständige Amt überfordert war. Dass man im Freien nur in Ausnahmefällen ein paar  Stunden gut schläft – im Gebirge zum Beispiel, mit Daunenschlafsack und guter Isomatte – wissen alle, die es je versucht haben.

Schlafen auf der Flucht

Während der Flucht ist es noch schlechter. Es gibt nur wenige Glückliche, die immer und überall schlafen können. Den meisten Flüchtlingen fehlte jedoch auf ihrer Flucht höchstwahrscheinlich das, was guten und ausreichenden Schlaf ermöglicht: Entspannung, Ruhe und das Gefühl, sicher zu sein. Die Fluchtrouten, über die ständig in den Medien berichtet wird, bieten das nicht.

Bahngleise auf der BrennerstreckeErschöpfte am Münchner Hauptbahnhof

In den meisten Artikeln der Süddeutschen Zeitung über die Ankunft der Flüchtlinge auf dem Münchner Hauptbahnhof stand: sie wirken erschöpft. Das kommt nicht nur von der Anstrengung und der Not-Ernährung. Es kommt vor allem davon, dass sie garantiert viel zu wenig geschlafen haben. Wie bald sie ausreichend „nachschlafen“ können, ist gar nicht so sicher. Siehe oben.

Schlafmangel und Übermüdung haben psychische Folgen

Akuter Schafmangel bringt niemanden um und er macht auch nicht gleich krank. Trotzdem hat er seine Tücken: die Betroffenen können sich schlechter konzentrieren, sie können sich Dinge schlechter merken und sie denken langsamer als gewöhnlich. Vor allem aber verändert Schlafmangel ihre emotionale Grundstimmung: Je länger jemand zu wenig geschlafen hat, umso leichter ist er aus der Fassung zu bringen. Manche werden apathisch, andere aufbrausend bis aggressiv. Das sollte man bedenken, wenn man etwas über aggressive Ausbrüche in den Unterkünften hört. Aggressive Übergriffe kann man unter keinen Umständen dulden. Und dennoch: Man kann auch organisatorisch etwas tun, um sie seltener zu machen. Zum Beispiel beim Dach über dem Kopf auch auf gute Schlafmöglichkeiten achten. Es hilft nicht nur jedem einzelnen Flüchtlingen selbst.

Diesen Beitrag habe ich auch bei der Blogparade #Fluchtgeschichten eingestellt, die das Literaturfest München 2015 veranstaltet.