Apotheker warnen vor Schlafmitteln

Ein bisschen kurios war sie schon, die dpa-Meldung, die dieser Tage durch die Zeitungen ging: „Apotheker warnen vor Schlafmitteln“ war sie überschrieben. Das klingt auf den ersten Blick ein wenig so, als würden Supermärkte höchstselbst vor Tabak, Alkohol oder Zucker warnen. Als würden Apotheker freiwillig auf Geschäfte  verzichten, absolut uneigennützig und aus purer Verantwortung für das Wohl ihrer Kundschaft.

Apotheker

Diesem Wohl wäre nun tatsächlich gedient, wenn der Schlafmittelkonsum zurückginge, die Apotheken also weniger Schlaf- und Beruhigungsmittel verkaufen würden. Mindestens 1,2 Millionen Menschen in Deutschland sind nämlich abhängig von chemischen Einschlafhilfen, und – nebenbei bemerkt – ein paar hunderttausend weitere von Schmerzmitteln. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, schlug also vor, die Apotheker sollten vor allem ihre Kundschaft im Seniorenalter auf die Gefahren dieser Substanzen ansprechen. Auf absolute Selbstlosigkeit wollte er die Kammermitglieder dann aber doch nicht einschwören. Statt des Pillenverkaufs sollte dann halt die Beratung „angemessen honoriert“ werden, schreibt die dpa.

Ältere Menschen und Benzodiazepine

Der Hintergrund: Das Bundesgesundheitsministerium hatte eine Entwöhnungsstudie bei 102 schlafmittelabhängigen Patienten finanziert – und sie schafften es. Diese Patienten waren im Mittel 70 Jahre alt, seit zehn Jahren hatten sie Benzodiazepine genommen. Die sind verschreibungspflichtig. Da nun Senioren nicht gerade dafür bekannt sind, intensiv den Schwarzmarkt zu bevölkern, muss man davon ausgehen, dass sie allesamt von Medizinern verschrieben waren. Manchmal via Doctor-Hopping, häufiger aber sicher immer wieder vom gleichen Arzt, der gleichen Ärztin.

Die dpa zitierte den Studienleiter: „Mediziner sind … noch zu wenig für die Langzeitwirkung der Schlafmittel bei älteren Menschen sensibilisiert.“ Das ist herzig. Seit 1984 gehört es zum medizinischen Allgemeinwissen, dass Benzodiazepine süchtig machen. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass man sie nicht länger als drei Wochen einnehmen sollte. Und seit langer Zeit wird in Fachkreisen ausdrücklich davor gewarnt, sie älteren Menschen zu verschreiben. Warum? Diese Mittel entspannen, und zwar so, dass gerade Ältere sehr viel leichter stürzen.

Schlafmittel – und Alternativen

Wirksame Schlaf- und Beruhigungsmittel sind grundsätzlich nicht für den Langzeitgebrauch geeignet. Das Nervensystem gewöhnt sich nämlich daran. Dann braucht man mehr, und wenn man die Substanz plötzlich absetzt, kann man überhaupt nicht mehr schlafen, Rebound heißt das. Die besagten 1,2 Millionen wurden regelrecht süchtig. Man sollte also denken, die Mediziner würden die Leute warnen und ihnen sagen, was passiert.

Statt dessen: Vor drei Jahren war ich – das zweite Mal in meinem Leben – im Krankenhaus. Was geschah abends? Die Nachtschwester ging herum und fragte alle: „Brauchen Sie etwas zum Einschlafen?“ Als Schlaf-Expertin hab ich sie drauf angesprochen; danach hat in unserem Zimmer niemand mehr gefragt. In den anderen? Ich fürchte, dort wurde weiterhin fleißig verteilt. Und hinterher weiter verschrieben.

Die Alternativen sind mühsamer als Schlafmittel. Man muss selbst aktiv werden. Das kostet nicht nur Zeit, es geht darum, wie ich lebe. Dazu demnächst mehr.